Jan-Philipp Litza

Der Teufelsberg und die Berlin Field Station

Während unseres kurzen Urlaubs in Berlin in den letzten Tagen haben wir bei eisigen Minusgraden und recht ordentlichem Schneefall den berühmt-berüchtigten Teufelsberg besichtigt – was gar nicht mal so einfach war.

Ein Freund brachte mich auf die Idee und erzählte mir, dass es historische Führungen durch die verlassenen Militäranlagen gäbe. Das klang interessant, und so wollten wir gerne am Dienstag eine dieser Führungen mitmachen. Nur… wann sind die eigentlich? Im Zeitalter des Internets wirft man schnell „Berlin Teufelsberg“ in die Suchmaschine seines Vertrauens und findet als erstes diese Seite von Herrn Abraham, der wohl bis August 2015 Pächter des Teufelsberg-Geländes war und dort die Führungen veranstaltet hat. Jetzt teilt einem die Seite aber nur noch mit, dass er nicht mehr für die Führungen zuständig ist. Man kann sich ansonsten nur noch eine (natürlich parteiische) Stellungnahme zur Zwangsräumung des Geländes und der Kündigung der Pacht durchlesen – interessant, aber nicht direkt das, wonach ich gesucht hatte. Diese Seite hilft also wohl nicht – auch nicht, wenn selbst die Stadt Berlin sie noch als Webseite des Teufelsbergs angibt. (Update: Inzwischen wird hier auf eine scheinbar tatsächlich aktuelle Webseite zum Teufelsberg verlinkt!)

Nächste Anlaufstelle: Wikipedia zum Teufelsberg. Dort liest man:

Seit September 2015 werden stündliche Führungen vom Verein Initiative Teufelsberg e. V. durchgeführt.

Ich würde hier gerne das berühmte [citation needed] anbringen, da die Quelle vermutlich auch Details wie Zeiten und Preise bereit hielte, schenke dieser Aussage an sich aber in der Not auch einfach mal so mein Vertrauen und suche weiter.

Der Verein ist unter den Weblinks sogar verlinkt, wenngleich unter anderem Namen (Gemeinnütziger Verein Initiative Kultur-DENK-MAL Berliner Teufelsberg). Und auf dessen Webseite liest man:

Welcome to nginx!

Das darf doch nicht wahr sein! Mir kommt kurz der absurde Gedanke, ob jemand versucht gezielt alle Informationen zum Teufelsberg aus dem Internet zu tilgen.

Schließlich finde ich dann noch eine private Webseite zum Teufelsberg, die auf der Startseite zumindest bereits von dem Pächterwechsel spricht. Ob die Informationen zu den Führungen aber aktualisiert wurden, ist nicht erkennbar. In deren Impressum finde ich dann wenigstens die Telefonnummer des Inhabers und Pächters, den ich schweren Herzens anrufe. (Habe ich mal erwähnt dass ich Telefonieren hasse?)

Ein sehr freundlicher Mann am anderen Ende sagt mir, dass die Führungen normalerweise stündlich stattfinden. Ob aber bei diesen Witterungen (Schnee, zweistellige Minusgrade, Wind) auch Führungen stattfünden, könne mir jemand anders besser sagen. Er diktiert mir eine Handynummer, deren Inhaber aber auch bei mehrfachen Versuchen nicht antwortet.

Nun gut, viel Recherche für nichts, wir müssen unser Glück wohl einfach so versuchen. Wenigstens, so hoffen wir, schaffen wir es zur vollen Stunde da zu sein um eine Führung zu erwischen, falls sie stattfindet.

Nach etwa 20 Minuten Weg von der Haltestelle und einem Anstieg mit teilweise 100% Steigung1 sind wir total fertig aber gerade noch rechtzeitig – um kurz vor 12 – am Tor des Geländes. Genau hier sollen die Führungen beginnen. Und… es ist zu, ohne eine Menschenseele weit und breit.

Wir warten noch einige Minuten, aber es rührt sich nichts. Zeitweise gesellen sich noch einige andere zu uns, die wohl mit den selben Intentionen wie wir hier her gekommen waren. Die einhellig gemurmelte Meinung: Es gibt wohl bei dieser Witterung keine Führungen. Schade.

Resignierend starten wir eine Umrundung des Geländes von außen. Wenn wir schon nicht herein dürfen, wollen wir doch wenigstens sehen, ob sich von außen nicht doch etwas interessantes erspähen lässt. Tatsächlich bieten sich einige fabelhafte Anblicke der Radome und des uns zu Füßen liegenden und etwas vernebelten Berlins.

Nachdem unsere Umrundung fast abgeschlossen und wir wieder nahe des Eingangs sind, hören und sehen wir doch noch jemandem auf dem Gelände. Ein Hoffnungsschimmer! Und tatsächlich: Als wir am Tor angelangen ist es offen und das Häuschen dahinter besetzt. Die Person, die heraustritt, möchte uns überreden für nur 5 Euro (Studentenpreis) den „coolsten Ort Berlins“ zu besichtigen. Erst noch für einen Besuch des Geländes zu werben erscheint mir etwas absurd, da man ja vermutlich nicht zufällig hier oben, auf dem zweithöchsten Berg Berlins, vorbei kommt. Uns jedenfalls braucht er nicht erst überzeugen, wir waren ja extra dafür gekommen.

Wider Erwarten gibt es aber keine Führung, sondern wir sollen einfach der roten Linie folgen um zum Hauptgebäude zu kommen. Die historische Führung wäre erst um 13:30 Uhr, aber ob die eigentlich auch unter Woche stattfindet wüsste er auch nicht so genau. Schade, aber besser als nur von außen angucken alle mal!

Auf dem Weg der roten Linie wird deutlich, dass dieses Gelände in den vergangenen Jahren von einem Künstlerkollektiv bewohnt und genutzt wurde. Es gibt keine Mauer die nicht mit schönen, schrägen, verstörenden oder gruseligen Bildern bemalt ist.

Auch das „Innere“ des Hauptgebäudes ist lückenlos bemalt und teilweise seltsam eingerichtet. Es fällt auf, dass auch im unteren Bereich des Gebäudes die Wände fehlen, obwohl diese sicher nicht wie bei den Radomen auf dem Dach aus stoffartigem Material bestanden. Wie uns der freundliche Mann vom Eingang später erzählt, sollten in dem Gebäude einmal Wohnungen eingerichtet werden, und zu diesem Zweck wurde zumindest das asbesthaltige Material entfernt – unter anderem eben die Wände.

Auf dem Dach angekommen erwartet uns ein Anblick des Verfalls. Die beiden kleineren, tiefen Radome sind leider im unteren Bereich komplett entkleidet und sehr viel liebloser bemalt als manch anderer Ort des Geländes. Natürlich begeben wir uns trotzdem einmal herein.

Und wenn man drüber nachdenkt ist das total klar, aber für mich überraschend kam die Akustik im Inneren eines solchen Radoms: Jeder Schritt hallt wie eine Gewehrschuss über weite Wiesen, jedes Wort wird so oft zurück geworfen, dass jegliche Unterhaltung höchstens im Flüsterton stattfinden kann. In diesen kleineren Radomen mit Stoffbespannung ist der Effekt noch nicht so stark ausgeprägt, wie im nächsten Ziel: Der obersten Kuppel. Der, die man schon von weit her sieht und die auf dem runden Podest mit noch mehr zerrissenen Planen den charakteristischen Anblick der Berlin Field Station ausmacht.

Dieses sehr viel größere Radom ist mit festem Material verkleidet und daher keineswegs verfallen. Allerdings heißt das auch, dass es da oben nicht so viel Licht oder Ausblickspunkte gibt. Dafür ist die Akustik um so eindrucksvoller.

Leider ist damit (fast im wahrsten Sinne des Wortes) das Ende der Fahnenstange erreicht. Alles in allem zwar ein lohnenswerter Besuch, der aber mit der historischen Führung sicherlich noch interessanter gewesen wäre. Vielleicht hätte ich zur Vorbereitung auch noch einmal den Vortrag zur Field Station Berlin des 31C3 wiederholen sollen, aber in jedem Fall finde ich es schön diesen historischen Ort mal persönlich besichtigt zu haben.

Ich kann nun auch gut diejenigen (wie z.B. den bereits vorhin genannten Verein) verstehen, die sich für einen Denkmalschutz des Geländes einsetzen. So schön die Malereien teilweise auch sind, so ärgerlich sind sie andererorts. Und in jedem Fall verfallen die Gebäude weiter und weiter. Dem Gebäude wieder Wände zu schenken, die Radome zu flicken und vielleicht einige Infotafeln aufzustellen, die über die früheren Aktivitäten an dieser Stelle informieren, halte ich für sehr erstrebenswert. Zumindest müsste man dann vielleicht keinen Haftungsausschluss unterschreiben, bevor man das Gelände, das offiziell eine Baustelle ist, betreten darf…

Vandalism keep out. Ob das reicht, um diese historische Stätte zu erhalten?
Vandalism keep out. Ob das reicht, um diese historische Stätte zu erhalten?
  1. Habe ich mal erwähnt, wie lustig ich die Angabe von Steigungen in Prozent finde? Ich frage mich dann immer, ob man von Nicht-Mathematikern wirklich erwarten kann, dass sie dafür ein Gefühl haben, oder ob es einfach eine Art der Interpretation dieser Angaben gibt, die sich mir nicht erschließt.